Schweden 2022 – die Stille in mich fließen lassen

Und endlich, endlich durfte ich mich wieder auf den Weg machen nach Schweden, meinem Lieblingsland, meinem Traum, der mir immer hilft, das Jahr zu überstehen und in dessen Vorstellung von endlosen Wäldern, einsamen Seen und Feuer unter den Sternen ich jederzeit versinken kann.

Hatten die Züge die Tage vorher immer Verspätungen bis zu 2 Stunden gehabt, klappte an diesen Reisetagen alles, in Schweden waren wir sogar zu früh da (tja liebe DB da könntest dich doch mal dran orientieren, wie wärs?). Nach einem wundervollen Zwischenstopp in Berlin mit Besuch des Grunewaldes und Wannsees saß ich also endlich am Bahnsteig Gesundbrunnen und da stand schon der Nachtzug nach Stockholm angeschrieben. Wie jedes Jahr füllten sich meine Augen mit Freudentränen, als ich die ersten schwedischen Worte von Mitfahrerinnen vernahm und die Begrüßung im Snälltaget mit „hej, välkommen“ erfolgte. Hach! Bis Hamburg hatte ich das Abteil für mich, ich machte es natürlich dunkel (ich werde nicht umsonst der Höhlenmolch genannt, mit künstlichem Licht kann man mich einfach jagen) und versank in der Betrachtung des weiten Sternenhimmels mit Polarstern, Kassiopeia, Perseus, Capella und Jupiter, während das sanfte Schaukeln des Zuges mich in den Schlaf wiegte.

Bei bestem Morgenlicht fuhren wir über die Öresundbrücke, wie immer heulte ich vor Glück und Freude und genoss meinen Kaffee in Malmö Central. Schon fühlte ich mich wie daheim, wusste wo alles ist, bald fuhr der Schnellzug nach Mjölby, der Regionalzug nach Örebro, der Bus nach Hällefors. Dort kaufte ich Lebensmittel für eine Woche ein und bald holte mich ein Mitarbeiter von Outdoor Sweden ab, brachte mich ins Camp, wo ich mein Zelt aufbaute, es mir gemütlich machte und den wunderbaren Ausblick auf den See genoss.

Und dann einfach nur – Schweden in mich fließen lassen – eintauchen ins Land…

Am Abend gab es leckeres Essen über dem Feuer gekocht, Sauna, baden im eiskalten Bach (16 Grad) und den wunderbarsten Sternenhimmel, sogar die Plejaden gingen schon auf, man merkte eben, dass es das Ende des Sommers war, die Nächte waren schon ordentlich kalt, aber mit zwei Schlafsäcken und dem tollen Leih-Zelt von Outdoor Sweden (find ich echt toll und nachhaltig, dass man sich da einiges ausleihen kann  und nicht alles selbst kaufen bzw. schleppen muss) war es richtig flauschig warm und gemütlich!

Ich hatte das Gefühl, da weiterzumachen, wo ich letztes Jahr aufgehört hatte, als wäre ich nach der Saunanacht einfach noch mal los. Anknüpfen können in die Magie des Flusses, ins körperliche Erleben des Paddelns. Nach der Begrüßung des Flusses wieder losstarten zu können war wie ein weites Aufatmen. Mein Körper öffnete sich dem Paddeln, meine Seele dem Fluss, mein Herz dem Land und der Stille. Sah kaum Menschen, machte Pausen bei den kleinen Inseln, die ich letztes Jahr gesehen hatte, es zog mich weiter bis zu der sonnigen Halbinsel, erstaunt wie gut ich vorankam, auch wenn ich leider seit letztem Schweden kein einziges Mal Kanu fahren war.

Am Wasser hatte ich das Gefühl, sofort eintauchen zu können, einfach los und tief einatmen, war entspannt, es machte einfach riesigen Spaß, es war ein Seufzen, ein jetzt endlich wieder im Kanu am Fluss, Hineinschmelzen ins Jetzt, den Fluss, den Wald, die Sonne und Wolken… die Lust am Sein. Die Strecke kam mir kürzer vor, kam an viele bekannte Plätze, entdeckte aber alles wieder staunend aufs Neue.

Ganz langsam kam ich an der Halbinsel an, richtete mir den Platz, aß etwas, ab in die Hängematte, das Handy ausgeschaltet, saß ein wenig am Feuer im Abendrot, bald kuschelte ich mich in meine Schlafsäcke, ich vermisste nichts und niemanden und ließ diese wundervolle, unglaubliche, so lang ersehnte Stille in mich fließen. Das machte ich gefühlte Stunden lang. Als ich nachts mal rausschaute, empfing mich der wunderschönste Sternenhimmel, der sich im ruhigen Fluss spiegelte. Es war einfach so unglaublich unbeschreiblich schön.

Der nächste Morgen war einer der schönsten meinen Lebens (ich bin an sich nicht unbedingt ein Morgenmensch) … es war so unendlich schön (ich wiederhole mich, ich weiß, aber das war es einfach wirklich, was soll ich machen…), ein noch tieferes Hineinsinken, als würde ich in der Spirale wieder tiefer kommen, noch mehr verschmelzen, mich auflösen… wow.

Stille atmen
ich muss nichts tun
darf einfach sein
in Frieden mit mir

Ich bade in Stille
ich bade in Frieden
ich bade in Sonne,
Wolken und Sternenschein

Die Stille im Außen hilft
in die Stille im Innen zu kommen

Mit jedem Ausatmen
entspanne ich weiter in die Stille
Meine Sinne weiten sich
Ich schmelze ins Land
sinke ins Gras
verwehe mit dem Wind
tropfe in den Fluss
verglühe im Feuer
Bin fest im Netz verwoben
Ich bin das Land, das Land bin ich

All-Ein-Sein
Ich bin das Rascheln der Blätter
ich bin der wärmende Sonnenschein
ich bin der Duft des Kiefernharzes
das Lied im Waldesrauschen
das Grün des Grases
der Morgennebel über dem Fluss
und das Wasser selbst

Ich bin bei mir, in mir, jetzt und alle Zeit
und löse mich auf in der Verschmelzung
sehe mit den Augen des Waldes
lausche mit den Ohren der Vögel
streiche als Wind über die Blumen am Ufer

Wunderbares Sein
voller Dankbarkeit
alles ist da
Ich vertraue dem Fluss
traue mich
mich auf mich und ihn zu verlassen
dass es keine Trennung gibt
der Fluss bin ich
und ich bin der Fluss

Und immer wieder
hineinschmelzen
hineinseufzen
in den Moment
meines Paradieses
aus See, Wald, Sonne, Wolken, Wind
hineinsinken in die Verbindung
Eins sein
mich auflösen

Den Morgen verbrachte ich mit einfach nur Sein im Wald, am Fluss, betrachtend, Gedichte schreibend, Kaffee trinkend, frühstückend, zusammenpackend. Das Handy blieb aus. Ließ mich vom Fluss treiben, mich von Plätzen anziehen, hackte etwas Holz an einem der Rastplätze und steuerte meinen „Happy Place“ vom letzten Jahr wieder an. Erstmal ein Schläfchen in der Hängematte mit Blick auf den See. Ich war im Paradies!

Mal war es kühl und windig, mal sonnig und warm, badete ein wenig, saß in der Sonne, schrieb Tagebuch, und natürlich am See sitzen und schauen, wie ging mir das ab! Und Stille tanken… seufz… in den Moment sinken… wunderschön. Fühlte mich so geborgen und sicher! Machte Yoga mit Blick in die Kronen der Kiefern, verband mich mit ihnen, sah sie mir an, lauschte, spürte sie mit geschlossenen Augen, atmete tief. Es gab den wunderbarsten Sonnenuntergang mit den erstaunlichsten Farben, während ich mich am Feuer wärmte und wieder zum Ufer hüpfte, um das Schauspiel zu beobachten. Kurz sah ich die Mondsichel auf- und bald darauf untergehen, ein Vorgeschmack wo die Sonne im Winter sein würde! War so dankbar, lauschte nach innen und außen, bewunderte noch die Sterne, ehe ich mich wieder im Zelt einkuschelte.

Am nächsten Morgen gab es mal Regen, kurz Sonne und viele Wolken. Schaltete kurz das Handy ein, hatte sogar die Uhrzeit ziemlich genau geschätzt (kam mir vor wie halb 9, es war dann 8:23). Sah immer mal die Hüterin des Schwarzen Flusses vor mir als alte Frau, die schon sehr viel erlebt hatte (der Fluss wurde aufgestaut und auch wenn heute alles natürlich aussieht, ist es doch ein gezähmter Fluss mit Staustufen zur Stromerzeugung). Gestern war ihre Botschaft „erlaube dir alles“, heute „Liebe ist überall“. War dann auch mal unruhig, atmete, nahm es an. Auch das würde vorbei gehen, genau wie das friedliche Gefühl gestern oder das überschäumende Glück am Feuer beim magischen Abendlicht mit der Mondin.

Folgte einfach meinen Impulsen, auch wenn das hieß, verrückt herum zu hüpfen und Grimassen zu schneiden. Gab meiner Familie Lebenszeichen von mir. Machte einfach, packte zusammen, paddelte los, kehrte wieder in dieses kleine geheimnisvolle Flüsschen ein. Durfte noch einmal in diese wunderbare Welt eintauchen, so zauberhaft lud es ein, ganz langsam zu werden. Staunte wie beim ersten Mal. Wie kann das nur so schön sein? War auch mal abenteuerlich, trockenen Fußes an Land zu kommen, als ich dringend pinkeln musste. So warm ist es doch nicht mehr.

Folgte meinem Gefühl zu einem schönen Übernachtungsplatz, baute das Zelt auf, alles war grau in grau und ziemlich kühl. Also bewegen, Feuerholz sammeln, ging einen schönen Waldpfad am Ufer entlang, naschte große, süße Heidelbeeren. Am Zelt machte ich Yoga, flauschte mich im Schlafsack in die Hängematte und schaute auf den See hinaus. Eine lärmende Familie machte in der Nähe Rast, bald darauf regnete es, zog mich ins Zelt zurück, schrieb Tagebuch und schaute weiter auf den See. Aß etwas, machte ein Feuer, es regnete stärker, kuschelte mich ins Zelt. Hatte alles, was ich brauchte: ein Dach über dem Kopf, ein warmes Bett, genug zu essen, Zeit, Stille, meine Ruhe. Verbrachte den restlichen Abend und die Nacht im Zelt, dem Regen lauschend, träumend, Revue passieren lassend, dankbar für die Fülle in meinem Leben. Las ein wenig in einem E-Book. Und es war so schön flauschig und warm!

Der Morgen war ein Lauschen und Gehen mit den Wellen des Regens. Fühlte mich entspannt, ging dazwischen auch immer wieder in die Stille (das war auch die heutige Botschaft des Flusses – Vertraue der Stille). Das Gefühl, dass alles gerade so gut ist wie es eben ist. Nichts ändern wollen. Frieden und Stille. Wenn ein Impuls kam, wie Wasser abkochen, Zelt abbauen, tanzen, folgte ich dem. Der Regen hörte auch auf und ich bekam alles trocken ins Kanu. Den Zauberfluss ging es wieder hinab, die Kamera hatte ich eingepackt, ich wollte ihn einfach nur genießen, ganz eintauche, ach wow… unbeschreiblich…

Machte eine Rast am See, zog mir noch etwas an, es war recht frisch und windig heute, meine Arme waren etwas müde. Sah einen Biber schwimmen und später am Windschutz einen Fischotter! Erlaubte mir einfach alles – faul zu sein, auf den See zu starren, Kekse und Schokolade essen, ein Schläfchen machen (ich glaube so viele Schläfchen hatte ich auch noch nicht in Schweden gemacht wie heuer…). In der Dämmerung saß ich einfach am Feuer und schaute in die Flammen.

Die Nacht war wieder sehr kuschelig, ich erwachte zu blauem Himmel und Wolken, Nebel am See. Statt aufs Handy zu schauen, schaute ich lieber auf den See und genoss den Morgenkaffee mit dieser wundervollen Aussicht. Spürte eine leichte Aufregung, Frieden und Dankbarkeit in mir und teilte diese köstliche Stille hier mit den Eichhörnchen, Vögeln und Insekten. Hatte das Gefühl, nirgends anders sein zu wollen als genau hier und jetzt. Paddelte los, es ging ziemlicher Wind und mitten am ziemlich breiten Fluss saß ich auf, na toll! Es knirschte unter dem Metallboot und ich kam nur sehr schwer wieder von dem Felsen los. Segne dich mit dem Fluss kam die Antwort! Nahm die Angst also mit ins Boot – stellte mir vor, wie sie mit mir drinnen saß und ich mich mit ihr unterhielt. An der kleinen Insel, auf der ich letztes Jahr übernachtet hatte, machte ich Pause und reflektierte die bisherigen Tage ein wenig – eigentlich war nicht viel Zeit vergangen, es kam mir weit länger vor als ein paar Tage. Der restliche Weg bis zum Ufer, wo ich wieder abgeholt wurde, war noch ganz schön windig und ich jubelte, als ich landete. Ich war so glücklich!

Im Camp war ich die letzte Kundin für dieses Jahr, es war also wunderbar ruhig und still und ich konnte die wunderbare Sicht auf den See genießen. Ins nahe Moor machte ich einen Spaziergang, genoss die Moosbeeren und Zwergbirken und deren leuchtende Herbstfarben. Machte ich es mir gemütlich, genoss die Stille, saß am See und schaute. Am Abend war ich noch in der Sauna – wieder ein sehr kitschiger Abschluss der Zeit hier, wie letztes Jahr. Mit wunderbaren Aufgüssen, drei Saunagängen und anschließendem Bad im sehr kalten Nass, ein kitschiger Sonnenuntergang in den schönsten Farben, noch sitzen am Lagerfeuer, das Glück genießen, Dankbarkeit, mich schließlich im Zelt einflauschen und zufrieden einschlafen.

Am Abreisetag ließ ich noch immer wieder bewusst die Stille in mich fließen, machte alles in Ruhe und entspannt und spürte doch die Aufregung im Bauch, trank Kaffee mit Seeblick, schrieb Tagebuch mit Seeblick, frühstückte mit Seeblick, ach es ist einfach so schön da, Wolken, zusammenpacken, auf den See schauen, in den Wald schauen, Mittagessen, auf den See schauen, mich vom Platz verabschieden. Wurde nun wieder abgeholt und zum Bus gebracht, der mich pünktlich nach Örebro brachte. Von dort ging es mit dem Regionalzug weiter nach Stockholm. Telefonierte endlich wieder mit den Kindern und dem Liebsten, sie meinten alle, in Schweden verstünden sie mich weit besser am Telefon als in Bayern. Tja, wohl besserer Empfang. In Stockholm fand ich mich auch nach Jahren noch gut zurecht, ging über die schönen Brücken Richtung Gamla Stan, hinter dem Stadshuset ging gerade die goldene Sonne unter. Es war schon ziemlich flashig in der großen lauten Stadt, ich suchte mir eine ruhigere Ecke mit Blick auf den Skansen und die Ostsee oder den Mälaren. Bewunderte zusammen mit anderen Frauen die Mondin, die gerade ganz kurz über den Häusern zu sehen war, ehe sie schon wieder unterging. An der Centralstation war der Nachtzug Richtung Lulea schon da, bastelte mich sehr lustig mit fünf Schwedinnen in das Abteil hinein, träumte vor mich hin und ließ mich sanft gen Norden wiegen, fühlte mich sicher und geborgen auf der Reise ins Unbekannte, doch das ist eine andere Geschichte.

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