Eine Wildfrau auf Railtrip in Italien…

In einem klaren Fall von prämenstruellem Freiheitsdrang im letzten Zyklus hatte ich mir eine Zugreise und Unterkünfte in Italien gebucht… Venedig und Verona… was hatte ich mir nur dabei gedacht… Städte und ich? Was wollte ich denn da? Nun gut, gebucht war gebucht…
Das letzte Mal, als ich dieses dringende Bedürfnis nach „jetzt aber nichts wie weg nach Italien“ hatte, fuhr ich ja einfach mit dem Auto vor 2 Jahren nach Süden… (hier der Bericht dazu).

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Eines schönes Morgens um halb 5 Uhr früh klingelte also mein Wecker und riss mich aus einem unruhig aufgeregtem Schlaf… gähn… echt jetzt? Als ich erst mal draußen war (ganz leise aus dem Haus zu meinem Fahrrad geschlichen) und die kühle Morgenluft mich umfing, die abnehmende Mondin neben Jupiter strahlte, außer mir kein Mensch unterwegs war, die Vögel schon sangen, da war ich erfreut und froh, unterwegs zu sein… Kurz vor 6 war ich am Bahnhof, trank dort einen Kaffee und stieg bei Sonnenaufgang in den IC-Bus nach Venedig…

 


Vier Stunden später fuhren wir in die Lagunenstadt… so, und jetzt? Ich hatte absolut keinen Plan, keine Karte, nur eine ungefähre Ahnung von meiner Unterkunft… so unvorbereitet war ich selten gereist… hatte aber auch seinen gewissen Reiz… fragte mich durch, wie ich da irgendwie hinkommen konnte… es gab echt Leute, die Rollkoffer dabei hatten – bei all den Treppen und Brücken viel Spaß… mit meinem kleinen Rucksack war das weit einfacher…

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Erstmal einen Cappuccino, das musste ja wohl sein hier in Italien und das konnte ich immerhin auf Italienisch bestellen 😉. Die Unterkunft fand ich auch bald, in der Nähe auch ein etwas ruhigerer Park mit jeder Menge turtelnder Tauben und Silbermöwen (definitiv Frühling). Ein Teil meines Zeugs ließ ich im Hotel und einen (ziemlich schlechten schwarz-weißen) Stadtplan bekam ich auch…

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Also los geht’s! Ich wollte einfach drauf los, die Stadt spüren ohne jetzt bestimmte Dinge gesehen haben zu müssen… Es dauerte 5 Minuten und ich war im Gewirr der Gassen verschwunden, ohne jegliche Orientierung, die Sonne sah man hier unten ja nicht immer… Dafür kam ich mitten in eine Art Feier für Uni-Absolventen – Junge Leute mit Kränzen um den Hals und alle riefen „Ah, Dottore“ und applaudierten… ich sah eine Frau in einem Laden wunderschöne Masken verzieren (fragt mich jetzt nicht, wo das war, würde da nie mehr hinfinden…). Langsam wurde es ganz schön eng hier, manche Gassen konnte man nur alleine betreten… manchmal sah ich viele Leute, dann wieder keine…

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Bei einer etwas größeren Brücke fragte ich mal einen Standbesitzer wo ich bin… ich war komplett woanders als ich es eingeschätzt hatte… tja… der grinste mich an… gibt doch bestimmt mehr Touristinnen hier, die sich heillos verirren… einmal waren mir auch Leute entgegengeeilt und riefen laut „Dead end, dead end.“ Uff… erstmal was essen… Irgendwo fand ich einen netten Platz in der Sonne und bestellte einen leckeren Salat… gestärkt fiel es mir dann leichter das ganze hier… die Geschäfte wurden nun immer exklusiver, bald kam ich auch am Markusplatz heraus… ja, schon beeindruckend, aber mir einfach zu viel los… nichts wie weg also…

 


Nicht weit wurde es ruhiger, die Wege breiter… ich konnte weiter sehen, wo ich mich sehr viel wohler fühlte… Wie die Gondeln in den Wellen schaukelten… das Wasser des Meeres so wunderbar funkelte… wow…. Ich war echt in Italien!!! Konnte es grad nicht fassen… Lauschte einem Straßenmusiker, aß ein Eis und freute mich des Lebens…

 


Als ich müde wurde, fand ich einen feinen Park mit hohen Bäumen und schon so viel grünerem Gras als bei uns… legte mich auf eine Parkbank und machte erstmal ein Nickerchen… ach fein… ist schließlich Urlaub! Der Weg zurück zur Unterkunft gestaltete sich auch wieder sehr spannend… zweimal fragte ich wen, hielt mich dann wenn es ging, so weit außen wie möglich… das enge Gassengewirr war echt für mich schwer zu ertragen… so ohne Orientierung, hin und her und rauf und runter, da ein Kanal, da eine Brücke, dann stehst wieder an… lustig streitende Gondolieri… Touristen mit Selfie-Sticks auf den Brücken… weiter außen war es herrlich… viel einsamer… Blick auf die Alpen, das rauschende Meer um mich…

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Mit sehr viel Geduld und Wahnsinn fand ich tatsächlich mein Hotel… unglaublich… hatte sogar eine kleine Dachterrasse dabei mit jeder Menge balzender Tauben drauf… nun ja… mein Hunger meldete sich pünktlich, in der Nähe nahm ich einfach irgendeine nett aussehende Pizzeria und gönnte mir eine Calzone… langsam wurde das Abendlicht auf den oberen Häuserecken sanfter… fand sogar einen Platz, wo ich in die Weite sehen konnte… ja, das brauchte ich… Weite…

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Saß einfach da, genoss das dunkler werdende Licht auf den Wellen… ab und an war es richtig leise, kaum mehr Leute oder Boote unterwegs… rief meinen Opi an und erzählte ihm von der Stadt… Als es kalt und dunkel war, machte ich es mir in meinem Zimmer gemütlich… später waren aus dem Nebenzimmer eindeutige Geräusche einer intensiven Liebesnacht zu hören… danach wurde gestritten… ich grinste – ja, das ist Italien 😉

 


Nach einer eher kurzen, unruhigen Nacht (Memo an mich: denk an Oropax!!!!) gab es ein merkwürdiges Frühstück mit Kaffee und Milch dafür aus dem Wasserkocher (?) und seeeehr viele in Plastik verpackte Einzelteile…. (Also für eine gute Ökobilanz ist das nicht der richtige Urlaub… ). Am Bahnhof Venezia Santa Lucia besorgte ich mir ein Ticket an den Gardasee, einfach, weil ich Lust dazu hatte… Hach Freiheit… Herrlich… Ich quetschte mich zu sehr vielen Italienern in einen Regionalzug der Trenitalia (kein Streik zum Glück). Mit stetigem Blick auf den Alpenbogen ging es nach Westen, an sanften Hügeln und Zypressen vorbei, aber auch an vielen Plantagen (hier kommt also das Obst her…). In Verona umsteigen klappte auch, dann war ich in 13 Minuten in Peschiera del Garda… wieso klingen ausländische Namen manchmal so gut? Jedenfalls waren hier noch recht die Gehwege hochgeklappt, die Touris waren eher rar gesät, ein paar deutsche Wohnmobile. Ein wenig spazierte ich am See entlang, der mir nach der Enge Venedigs wie der Ozean vorkam… so ein Blau… wow… Mein Hunger wurde dann leider noch recht enttäuscht, da nichts offen hatte außer ein winziges lautes Café… dafür kostete der Cappuccino nur ein Viertel von dem in Venedig… Wartete ich also geduldig im grünen Gras auf den nächsten Zug nach Verona Porto Nuova (wieder so ein klingender Name…).

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Dort war ich dann heillos überfordert… Unterzucker… Orientierungslosigkeit… keine Karte… wenn man es denn mal braucht, spinnt natürlich auch Google Maps… wah… irgendwie setzte ich einfach einen Fuß vor den anderen und gelangte irgendwie zum B&B… zum Glück kam gerade in dem Moment, wo ich klingeln wollte, der Besitzer und hieß mich aufs Herzlichste Willkommen! Es war total schön da, alles sauber, total süßes Zimmer… Erstmal frischmachen und Studentenfutter naschen… Von ihm bekam ich auch wieder eine Karte, auf der ich mich auch orientieren konnte…

 


Und was war ich überrascht von der Stadt! Ich kannte bisher über sie ja eigentlich gar nichts… hmm… komm mir da auch ignorant vor, aber der Überraschungseffekt war gigantisch! Ich kam aus dem Staunen nicht heraus und das will bei einer Stadt echt was heißen… so viele alte Steine, tolle Gebäude, Brücken, der Fluss, die Parks… Schlenderte einmal um die Altstadt herum… es war einfach nur kitschig mit dem Sonnenschein… Hungrig war ich ja immer noch, also setzte ich mich ins erstbeste offene und es war echt super lecker… Was für ein Schlemmerurlaub (bis auf den Wasserkocher-Kaffee natürlich). Danach schaute ich mal die Touri-Fallen an, so Julias Balkon etc… da waren mir die Nebengassen und Parks aber lieber… schlenderte wieder zum Fluss und setzte mich hin, um den Abend zu genießen… herrlich… Als die Sonne unterging, machte ich mich auf den Rückweg zum B&B und auch bald ab ins Bett…

 

 

Dieses Frühstück war nun wirklich genial mit echtem Kaffee und Gebäck und ohne Plastik… geht doch. Um 8 war ich am Bahnhof, quetschte mich in einen Regionalzug und fuhr zurück nach Venezia Mestre. So langsam reichte es mir nun mit Unbekanntem. Als der vertraute Railjet der ÖBB in Sicht kam, jubelte ich, die Servicedame, die im Zug mit Kaffee kam und Österreichisch sprach, hätte ich am liebsten umarmt…. Ins Tagebuch schrieb ich: „ziehe mir das wohlige Kleid der Komfortzone über in dem Wissen, dass es größer und weiter geworden ist.“ Nun konnte ich mich entspannt zurücklehnen, die Sicht auf die nahenden Südalpen genießen… (echt krass, wenn ich bedenke, dass ich genauso schnell in Venedig bin wie in Wien… ). Nach jedem Tunnel entfuhr mir ein entzücktes „Oh“ – Berge, Schnee, tiefe Schluchten, Schwarzkiefern- und Buchenwälder. Tunnel – oh – Tunnel – wow – Tunnel – wie geil – Tunnel…

 


Die restliche Fahrt kannte ich dann ja wieder am Wörthersee entlang… zum Glück war mein Fahrrad auch noch da… Noch 10km radln und ich war daheim…

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Als ich mal nachschaute, war ich schon erstaunt, dass ich insgesamt 850km unterwegs gewesen war… 11 Zugstunden… um nicht mal 80€… (das amtliche Kilometergeld mit dem Auto wären übrigens über 300€ ohne Maut und die ist in Italien nicht wenig…). Insgesamt bin ich froh, dass ich es gemacht habe… auch wenn ich sicher nie ein riesiger Fan von Städtereisen sein werde… Es war definitiv mal etwas anderes, ich habe es in meinem Tempo und auf meine Weise gemacht – ohne Reiseführer, einfach losmarschiert… intuitiv geschaut, wo es mich hinzieht… jetzt bin ich trotzdem wieder froh, hier zu sein, genieße die Stille unseres Dörfchens, auch wenn ich das lebendige Italien-Gefühl noch in mir trage…

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