Der Nationalpark Tiveden ist kleines feines Wildnisgebiet nicht weit vom Vätternsee in Schweden. Relativ schwer zu erreichen mit Öffis und zu Fuß, aber ich war schließlich da! Wolken hingen tief über dem See, Seerosen zierten viele kleine Buchten und der kleine Trampelpfad führte über Stock und Stein an Blaubeersträuchern vorbei.
In diesem Nationalpark gibt es nur zwei Stellen, wo man zelten darf und das auch nur für eine Nacht von 18 bis 10 Uhr. Ist eben in jedem unterschiedlich. Ich halte mich natürlich daran, denn ich finde es wirklich klasse, was da alles kostenfrei für uns zur Verfügung gestellt wird an Platz und auch Feuerholz! Der Weg zum ersten Zeltplatz zog sich noch ordentlich in die Länge, ein Tiefpunkt, wo ich mich wieder mal fragte, warum ich mir das eigentlich antat… Ich merkte, dass ich in mein Drama kam, das ich auch so gut von daheim kenne… das verfolgt einen nämlich gern bis in den Urlaub 😉
Irgendwann ist es wieder vorbei, das weiß ich mittlerweile. Nicht dagegen ankämpfen, es anerkennen, mich liebevoll darin annehmen in meiner Meckerei in meinem Lieblingsland. Fand den Zeltplatz auch erst nicht, fragte mal in Ösjönäs nach, weil ich mir da ja auch ein Kanu ausleihen möchte. Jetzt war es wirklich nicht mehr weit! Zum Ankommen erst mal raus aus den verschwitzten Sachen und Katzenwäsche im See gemacht, warm war es ja nicht mehr. Zum Glück kam bei Sonnenuntergang kurz noch mal die Sonne hervor aus ihren Wolken… Drei nette Deutsche bauten ihr Zelt noch in meiner Nähe auf. Bei dem Wind hätte ich selbst glaub ich kein Feuer gemacht, aber sie machten eines (das Feuerverbot war ja nun offiziell wieder aufgehoben) und ich gesellte mich dazu.
Es wurde so ein wundervoller Abend!!! Die Belohnung für all die Mühen untertags. Wir wärmten uns am knisternden Feuer, aßen und lachten, erzählten uns Geschichten. Die drei meinten Wölfe gehört zu haben, aber als das Geräusch wieder erklang, klärte ich sie auf, dass es hier Prachttaucher gibt, die so komisch heulen, dass man echt an Wölfe glaubt… das erste Jahr in Schweden war das sehr unheimlich für mich gewesen… Mittlerweile ist es für mich eines meiner Lieblingsgeräusche hier… Der Mond schaute dann auch noch durch die Wolken hindurch, die Sterne zeigten sich am klarer werdenden Himmel, nahezu kitschig und ich freute mich riesig! Einfach nur am Feuer sitzen, Sterne schauen, den Frieden genießen, die Stille am See… ein Traum…
Am nächsten Morgen wünschten wir uns gegenseitig eine gute Reise und ich machte mich auf zu meiner Kanutour! Für 20€ lieh ich mir ein Kanu mit allem Zubehör in Ösjönäs, für einen ganzen Vormittag finde ich es jetzt nicht zu teuer! Das kostet so manches Tretboot pro Stunde am Wörthersee! Es waren immer noch Wolken da, aber zum Glück war es windstill. Der Typ vom Verleih wollte mir ein Kajak ausleihen, obwohl ich ihm sagte, ich kann das nicht… er glaubte mir dann, als ich nicht mal vom Ufer wegkam… ein Kanadier ist halt 5m lang und für eine alleine schwerer zu handhaben. Aber dafür kann ich es halt lenken und bekam es auch rasch vom Ufer weg, ohne irgendwo anzuecken. Ich liebe es einfach das Gefühl des Paddelns. Einzutauchen und voranzukommen mit gleichmäßigen Paddelschlägen, es ist so still, dass das tropfende Wasser das lauteste um mich zu sein scheint. Bis auf ein paar Vögel und wenige Insekten ist es ganz ruhig. Herrlich. Und einfach die Tasse in den See halten, wenn man durstig ist…
Ich umrundete ein paar Felsen, bog in Buchten ab, fuhr zwischen Inseln hindurch… legte mal an einem felsigen Strand an und grinste breit vor mich hin, aß ein wenig und machte mich so langsam an den Rückweg, das Haar offen im sachten Wind wehend… Freiheit pur… Gab das Kanu pünktlich zurück, gönnte mir noch ein paar Schokoriegel und ging leichten Schrittes weiter. Da fiel es mir siedendheiß ein – wo in aller Welt war mein Regengewand??? Kein Wunder, das ich mich so leicht fühlte… also echt jetzt… es konnte nur auf meinem Rastplatz liegen, da war ich mir sicher… aber wie kam ich da jetzt ran? Wo hatte ich denn genau Rast gemacht??? Das Kanu nochmal auszuleihen wäre mir jetzt zu peinlich, außerdem fühlten sich meine Arme nach 3 Stunden paddeln wie weichgekochte Spaghetti an. Auf der Karte schaute ich nach, wo ich ungefähr gewesen sein musste. Aber mit dem ganzen Gepäck dazu zurück? So 4km pro Richtung? Hm… ich ließ es darauf ankommen… schrieb einen Zettel an den Rucksack, dass ich gleich zurück kommen würde, nahm meine Wertsachen und joggte den Pfad, den ich gestern gegangen war, zurück… Bitte lass es mich finden, ohne Regengewand ist es echt sch… atmen und gehen, atmen und gehen… Recht bald kam mir die Bucht auch bekannt vor, ich musste mich durchs Unterholz zwängen, damit ich da hinkam und Tatsache – ein kleiner brauner Beutel lag da auf dem graubraunen Untergrund! Hurrah! Es war noch da…. Jetzt aber schnell wieder zurück zu meinem Rucksack, denn was nutzt mir mein Regengewand ohne den Rest… außer Atem und völlig zerzaust kam ich bei dem Rastplatz an, wo ich ihn abgestellt hatte…. Ich betete, er möge noch da sein, ich lugte noch um die Ecke und da war er… mein Rucksack… hach, ich umarmte ihn erstmal…
Nachdem nun alles wieder glücklich vereint war, genehmigte ich mir noch mehr Schokoriegel, ehe ich zum zweiten Zeltplatz aufbrach.
Der Weg dorthin zog sich dann auch wieder hin…. Toller Wald, toller Weg, genug Heidelbeeren zum Naschen und doch war ich schon recht fertig von den mittäglichen Abenteuern… Als ich ankam, war es erst drei? War mir viel länger vorgekommen… schade, dass man hier erst ab 18 Uhr aufbauen darf… hm… im Skuleskogen war das schon genial gewesen, da hab ich ja mein Zelt auch mit dem schweren Zeugs stehen gelassen und bin einfach so weiter…. An sich wiegt Zelt und Co. bei mir mittlerweile echt wenig, aber Essen für so viele Tage wiegt halt und der nächste Supermarkt mindestens einen Tagesmarsch entfernt … An diesem See hier hatte ich auch nie Wasser dabei, weil ich ja einfach nur meine Tasse hineinhalten musste.
Es kam sogar die Sonne raus, juhu! Ich vertraute also wieder meinem Weg, ließ den vollen Rucksack am Zeltplatz und ging barfuß weiter. Welche Wohltat, die nackten Zehen auf dem weichen Waldboden ausstrecken zu dürfen, seufz… Bis zu einem tollen Felsen-Abschnitt war es nicht mehr weit, ohne Rucksack scheint man ja sowieso zu fliegen… Staunend kletterte ich die weichen Felsen hinauf und hinunter, zwängte mich durch Felsspalten und streichelte weiches Moos. So mag ich das… könnte es nicht immer so sein? Einfach nur schauen und staunen und sein? Verborgene Teiche entdecken, stehen und bewundern und den erstaunlich weichen Felsen unter den Füßen spüren? Ich glaub ich bin nicht so die Weitwanderin, eigentlich möchte ich lieber ein kleines Gebiet mit allen Sinnen erfahren, so richtig DA sein anstelle nur durchzulaufen und all die kleinen Wunder gar nicht wahrnehmen zu können…
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Am Strand Vitsand hielt ich die Füße ins Wasser und genoss den See von der anderen Seite, wo ich heute früh noch im Kanu gesessen war. War das wirklich erst heute Morgen gewesen? Zurück am Zeltplatz wartete eine weniger schöne Überraschung auf mich – eine Schulklasse war hier und baute gerade unzählige Zelte auf, die Feuerstelle hatten sie natürlich auch besetzt… na toll… ein ruhiger Abend wäre was anderes, auch wenn ich es gut finde, dass die Schweden hier mit ihren Schülern so etwas machen, eine Nacht draußen schlafen!
Schrieb in meiner abgelegenen, hoffentlich ruhigsten Ecke Tagebuch, schaute die Karte an (habe ich schon erwähnt, dass ich Landkarten liebe?) und spielte mit Steinen und Naturmaterial. Irgendwer hatte auch eine kleine süße Hütte gebaut für die Mucklas, gleich neben meinem Zelt… Setzte mich zu Felsen dazu und dachte mir „Frust ist die Einladung zur Veränderung“, da ich recht viel über mein Leben im Allgemeinen nachgedacht hatte…
Immer wieder helfen mir Methoden aus dem Naturmentoring, wenn es mal zu Tiefpunkten kommt… Das Wissen um den Kreis, den Zyklus des Lebens, des Jahres, meines Mondzyklus, des Tages, meiner Stimmung… Es hilft bei der Orientierung im Innen so wie ein Kompass bei der Orientierung im Außen hilft. Alles spiegelt sich ineinander wieder, wie im Großen, so im Kleinen. Das Rad dreht sich weiter, das ist immer wieder gut zu wissen, wenn man das Gefühl hat, festzustecken, nicht weiter zu kommen… allein schon das Wahrnehmen dessen und dass es vorbei gehen wird, ist oft eine Erleichterung, der Knoten löst sich und du kannst frohen Mutes weitergehen! Hier erfährst du mehr darüber, auch werden wir in unserem 4tägigen Kreis über genau das sprechen und es erfahren. Naturmentoring für Frauen, ich komme 😉
Der Abend nahm dann noch eine erfreuliche Wendung, als ich einen alleinreisenden Mann traf. Wir quatschten gemütlich, tauschten unsere Erfahrungen aus, kochten gemeinsam, saßen am Strand und sahen der Mondin zu, wie sie ihre silbernen Strahlen auf die Wellen warf, während sich die Schüler johlend am Feuer wärmten…
Am nächsten Morgen regnete es… aber ich schaffte es gut, in dem kleinen Ein-Frau-Zelt alles in den Rucksack zu packen und erst am Schluss das Zelt quasi über mir abzubauen, so dass ich nur noch das nasse Außenzelt in einen wasserdichten Packsack stecken musste… Nach den frustigen Gedanken gestern, stellte ich den heutigen Tag unter das Motto „der Ta-da-Schatzkisten-Tag“. Beim Gehen im Niesel und Nebel listete ich gedanklich all die Dinge auf, die ich schon gemacht und geschafft hatte…. Das war eine ganze Menge wie ich bald feststellte…Noch waren keine Tageswanderer unterwegs und ich hatte den herrlichen, schon nach Herbst duftenden Wald ganz für mich alleine…
Rauf und runter ging es durch tolle Felsformationen, wundervoll lichten Kiefernwald und immer mal Blick auf den See. Nun hatte ich also den See einmal umrundet, war wieder an der Infostelle und bog auf einen anderen Seitenweg ab. Mittags machte ich Rast an einem Unterstand, kam an wundervollen Seen vorbei, geheimnisvoll und dunkel unter den Wolken, voller Seerosen und am Rand entdeckte ich blühenden Sumpfporst! Wie schön, ich freute mich total, der riecht schon ganz eigen, aber echt gut, ein wenig nach Rosmarin, nur erdiger…
Weiter ging es durch diesen herrlichen Wald, an dem ich mich einfach nicht sattsehen kann… mitunter kam auch die Sonne raus! Bald verließ ich den Tiveden-Nationalpark, bedankte mich für die schöne und erkenntnisreiche Zeit und wanderte weiter auf dem Berglagsleden! Dazu beim nächsten Mal dann mehr!
PS: einen Raum und einen Termin für einen Vortrag habe ich immer noch nicht…. immerhin komme ich mit der Power-Point-Präsentation voran 😉 ich mach mir da jetzt keinen Stress mehr…. wenn es im Flow ist und sein soll, dann wird sich etwas ergeben!
Oh oohh ooohhhh …. wie schöööön … schreib ein buch Elaria, mit all Deinen Erlebnissen … es ist so schön, Dich zu lesen, ich fühle mich, als wäre ich dabei … wobei ich mich das hier alleine wohl nie trauen würde … aber DU machst das ganz wunder-voll. Ich leibe deine Schreibweise … sooooo lebendig! Danke!!!
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