Mondzeit auf der einsamen Insel

Erst dachte ich mir, na toll, jetzt bist du in Schweden und dann bekommst du deine Tage, war ja klar. Doch dann sah ich mich um und stellte fest, dass es eigentlich der weltbeste Platz für die Mondzeit war: eine einsame Insel mitten auf einem großen See…

Keiner würde mich nerven oder anrufen, keiner wollte was von mir, ich musste absolut gar nichts machen, ich hatte alles, was ich brauchte, inklusive Essen für mehrere Tage. Was also wollte ich mehr? Da war pure Naturstille, auf der Nachbarinsel brütete ein Fischadler, ein paar Prachttaucher riefen über das wellige Wasser. Und ich konnte den ganzen Tag am See sitzen und schauen. Im Nachhinein könnte ich gar nicht mehr genau sagen, was ich da gemacht habe. Dafür konnte ich so richtig ins Sein eintauchen, ins Fließen. Und schließlich tat ich etwas: bluten. Der Körper ist gut beschäftigt damit. Warum sind wir es so gewohnt, dass wir trotzdem noch so viele andere Dinge daneben tun?

Ich konnte also auch den ganzen im Zelt legen und schlafen, wenn mir danach war. Ein paar Gedanken tauchten durchaus auf wie „ich sollte doch schon irgendetwas Besonderes machen, nachdem ich nun schon mal hier bin“ oder „kann ich wirklich einfach auch mal gar nichts machen?“.

Nachdem die Anreise etwas länger gedauert hatte als gedacht und ich direkt an Midsommar im Camp von Outdoor Schweden ankam, begrüßte mich erfrischender Sommerregen. Außer mir war niemand da, ich spürte, dass ich bald beginnen würde zu bluten und da kam mir das gerade recht. Erstmal ein Tanz im Regen und nackt in den See tauchen, Tropfen von oben und Wasser um mich herum, schaute bei Seerosen vorbei und den wiegenden Gräsern im sanften Wind. Lauschte dem Lied des Regens auf dem See und auf mir und war einfach nur glücklich!

Eigentlich wäre es schön gewesen, etwas Mittsommer-mäßiges zu machen, aber ich war noch so fertig von der Reise, dass ich mich einfach nur ins Zelt kuschelte, die wunderschöne Regen-Naturstille genoss und schlafen ging, nachdem ich noch etwas gekocht hatte.

Midsommar
Glücklich im Regen tanzen
nackt und frei
in den See tauchen
mit Seerosen schwimmen
den Regentropfen lauschend
Mittsommersonne
auf nackter Haut
im Wind und Wasser baden
goldenes Abendlicht
im Norden
so weit
so still
sinnliches Sein am See

Wunderbar ausgeschlafen genoss ich am nächsten Morgen den Kaffee am See, der Wind blies erste Lücken in die Wolkendecke und die Sonne zeigte sich immer mehr! Es war so schön wieder hier zu sein, diese Stille, Wind, der Gesang der Vögel. Wurde zu einem See gebracht mit dem Kanu und der Ausrüstung und schon war ich wieder allein – nur der See, der Wald, der Wind und ich. Der Wind trieb mich an den Fischadlern vorbei an Land, wo ich erst mal Jause machte und ein Schläfchen hielt. Wollte noch weiter paddeln auf eine Insel, was dank dem Wind nicht so einfach war und ich eine gefühlte Ewigkeit brauchte, aber ich hatte ja genug Zeit, fuhr ich eben lustige Schlangenlinien, weil ich immer wieder abgetrieben wurde. Irgendwann hatte ich es geschafft!

Was für ein schöner Platz! Baute weiter oben mein Zelt auf und im Windschatten in der Sonne am Ufer auf den Steinen war es warm und wunderbar, um den restlichen Nachmittag nackt zu verbringen! Was für eine Wohltat! Ich badete, saß und schaute, aß Schokolade und blutete. Abends lag ich in der Hängematte, nachdem ich noch eine Kanurunde am See gedreht hatte. Das Abendlicht war so wunderschön! Und die Sonne ging ja erst halb 11 hier unter, dunkel würde es gar nicht werden. Flauschte mich recht bald im Zelt ein, es war so gemütlich!

Am nächsten Morgen war ich in so richtig schöner Mondzeit-Stimmung, träumte vor mich hin, erlaubte mir gar nichts zu tun. Lag im Zelt und machte ein Schläfchen, wenn mir danach war, saß am See, badete. Schwamm zur nächsten Insel, sonnte mich dort auf einem Felsen, ließ die erste Jahreshälfte Revue passieren. Schrieb Tagebuch am Strand.

Den Frieden des Sees
in mich fließen lassen
einfach die Wellen und Wolken
ziehen lassen
ich muss nichts tun
darf einfach nur schauen
und sein

Was wäre, wenn es genug ist
den Wellen zu lauschen
und dem Wind in den Bäumen
im Zelt zu liegen
und nur vor mich hin zu träumen?

In der Hängematte liegend telefonierte ich mit meinen Kindern, erfreuten uns am guten Empfang hier und wartete darauf, dass der See ruhiger wurde gegen Abend. Und dann nichts wie ab ins Kanu! Und das war die beste Entscheidung, denn es wurde eine der schönsten Kanutouren, die ich je erlebt hatte! Erst nach ein Uhr nachts war ich zurück und Midsommar in Schweden hätte nicht schöner sein können! Es war einfach nur perfekt! Das Licht, das Wasser… wow… ich staunte und heulte vor Glück!

Echt schwer zu beschreiben. Fand eine Mini-Insel, auf der ich saß und den perfekten Blick auf den Sonnenuntergang hatte. Auf die Insel hätte vielleicht gerade so das Zelt gepasst. Mit einer halbmondförmigen Bucht und ein paar Kiefern drauf und diesen wunderschönen glatten Felsen, die das Sonnenlicht gespeichert und schön warm zum Sitzen waren.

Als die Sonne untergegangen war, fuhr ich noch eine große Runde über den See in diesem unglaublich wunderschönen Licht! Mondin, Venus, abendgolden. Mal war das Wasser ganz glatt, mal etwas welliger. Das Paddeln tat gut. Es wurde ganz friedlich und still in mir. Konnte nicht aufhören zu schauen… vor allem im Norden war das Licht so wow! Midsommar-Farben eben. Als ich zu meiner Insel zurückkehrte, flogen mehrere Kolkraben auf, die es sich dort wohl für die Nacht gemütlich gemacht hatten. Sorry!

Der nächste Morgen begrüßte mich wieder mit Sonne und einem schön ruhigen See – also packte ich alles zusammen, verabschiedete mich vom Platz und paddelte in Richtung der Inseln, an denen ich am Vortag war. Auf einer fand ich ein wunderschönes Plätzchen, machte es mir gemütlich in der Hängematte oder mit einem Schläfchen im Zelt. Erlaubte mir, nichts zu tun! Langsam beruhigte sich der See wieder, nachdem es über Mittag etwas windiger gewesen war. Saß einfach nur da und schaute zu, wie die Wellen immer kleiner wurden, sich mehr und mehr ein paar kleine Wolken spiegelten, der Wind in den Bäumen immer leiser sang – so lange saß ich da, bis der See ein Spiegel wurde, einfach so, in einem feierlichen Moment war es windstill geworden. Und in mir breitete sich ein unglaublich tiefer Frieden aus…

Schwamm zur Mini-Insel und tanzte dort, sang vor mich hin und es fühlte sich wie im Märchen an beim sinnlichen Wellenlauschen. Später fuhr ich wieder eine Sonnenuntergangs-Kanutour mit Besuch meiner Lieblings-Mini-Insel, tanzte wieder (diesmal zu Musik) und war so berührt von all der Schönheit um mich herum, dass die Tränen flossen… diese goldenen Wellen… wow… das magische sanfte Licht… wie lang die Sonne am Horizont zu schweben schien, ehe sie langsam mit dem Land verschmolz. Nach einer Runde im Kanu las ich noch in der Hängematte, bis um Mitternacht ein paar wenige Gelsen summten und ich ins Zelt schlafen ging.

Traumtag am See
unwirklich
und doch so da
der See, die Wellen,
das warme Sonnenlicht
die Felsen, die Erle
und ich schaue
ins Glück
ins Paradies
und BIN im Frieden

Am letzten Tag auf der Insel – es waren wirklich nicht viele Tage dort, aber sie kamen mir glücklicherweise viel länger vor– nutzte ich noch einmal das wunderschöne Wetter, um einfach nackt zu sein, am See zu sitzen und zu schauen, von einer zur anderen (und natürlich zur Mini-Insel) zu schwimmen und nichts zu tun. Packte in Ruhe zusammen, verabschiedete mich von diesem Traum und paddelte nackt zurück zum Ausgangspunkt, an dem ich später abgeholt wurde. Das hatte ich auch noch nie gemacht, war aber echt eine schöne sinnliche Erfahrung mit dem sanften Wind auf der Haut…

Noch eine Nacht am Camp und nette Gespräche und am nächsten Tag ging es über Stockholm weiter nach Norden, aber das ist eine andere Geschichte. Das Gefühl von diesem wunderschönen See begleitet mich jedenfalls seitdem – habe auch ein kleines Lied für mich daraus gemacht, das ich singen kann, wenn ich wieder Mal Seensucht habe.

PS: der Kontrast was Mondzeiten anbelangt, war dann im nächsten Zyklus: ich sag nur 17km Stau voraus auf der Fahrt nach Kärnten und Autobahnraststätten…

Ein Kommentar zu „Mondzeit auf der einsamen Insel

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