Endlich Wildfrauenzeit – von der Seensucht zum Handeln

Es waren wieder mal so Tage voller prämenstrueller Anspannung und innerem Stress, Gedankenkreisen, Wut im Bauch auf diese doofe Welt und Schnell-Schnell-Modus. Alles und jeder regte mich auf, auch wenn es nicht mal einen besonderen Grund dafür gab. So eine tiefe Sehnsucht nach Freiheit, tun- und lassen können, was ich will, See, Stille, mich spüren, nackt sein (wieso sind die einsamen Inseln in Schweden nur so weit weg, wenn ich sie dringend brauche…), dem Gefühl der Verbundenheit und Fülle statt dem gefühlt ständigen Mangel an vor allem Zeit.

Schließlich ist die eigentlich das Wertvollste, das wir hier haben, Zeit für die Arbeit scheint allerdings immer sein zu müssen – im Verhältnis dazu bleibt verdammt wenig Zeit für Familie, Freunde, einen selbst (auch wenn die Arbeit ja toll ist, die Menge machts für mich und die Balance, der Ausgleich zwischen den Lebensbereichen – ich mag das Wort Work-Life-Balance nicht, denn es impliziert irgendwie, dass Arbeit nicht Leben ist).

Jedenfalls kommt irgendwann der Moment, wo es mir reicht, einfach genug ist und ich in der Stimmung für „f**k this sh**“ bin. Nach all dem Regen und Hochwasser und Überschwemmungen (was ist das nur für ein Sommer der Extreme, aber hej, es wurde vorhergesagt schon seit langem, Klimakrise lässt grüßen, aber hej, wir machen einfach weiter wie bisher, ok, jetzt nicht aufregen, das soll ein Blogartikel über ein schönes Wildfrauenerlebnis werden, aber hej, auch diese Gedanken gehören dazu). Ich wollte an einen See und nackt baden. Die Seensucht war so stark! Und ich gönnte mir die Freiheit, mir das zu ermöglichen. Nun, so einfach ist das ja hier nicht. Natürlich könnte ich auch nach der Arbeit noch zwei Stunden mit dem Rad dahin düsen. Dann wäre ich erst sehr spät dort gewesen, außerdem fühlte ich mich dafür nicht fit genug, denn die zwei Stunden müsste ich ja auch wieder zurück. Fragte also zwei Freunde, die mich schon öfter vom Bahnhof abgeholt und zum See mitgenommen hatten, aber die hatten beide keine Zeit. Dacht ich mir, na gut, ich könnte ja das Rad mit in den Zug nehmen, dann ist es nicht mehr so weit. Aber haha, wegen irgendeines Volkfestes war laut DB App die Fahrradmitnahme nicht gestattet. Ist ja an sich ne gute Sache, wenn die Leute Zug fahren, aber was machte ich denn jetzt?

Da fiel mir ein, dass ich mich ja beim örtlichen Carsharing-Angebot angemeldet hatte. Das war doch jetzt die Gelegenheit, das mal auszuprobieren (auch wenn ich E-Autos nicht für eine wirkliche Mobilitäts-Lösung halte und das nicht oft nutzen möchte). Zugegeben, hatte ich da auch etwas Respekt vor. Ich bin „analoge“ Autos gewohnt, also ohne jeglichen technischen Schnickschnack, wo man noch den Zündschlüssel braucht und kein Assistent mit Piepen und Gedongel beim Einparken hilft. Und dann sollte ich mit so einem fancy BMW Elektro Dingens fahren? Ach was, sch… drauf, einfach machen, des bekomm ich schon hin, ich will jetzt zum See!!!

Also gut, der Wagen war verfügbar in der App, ich buchte ihn also, warf Zeugs in den Rucksack, schwang mich aufs Rad und fuhr die 2km bis zum Standort in der Innenstadt. Gleich daneben ist ein Radständer, das find ich ja mal praktisch! Fühlte mich wie in einem Science-Fiction-Film, als ich mit der App tatsächlich über Bluetooth das Auto öffnen konnte! Ich finde das unglaublich, das sowas geht mittlerweile! Staunend stand ich da und versuchte herauszufinden, wie das Ding nun anging. Zuerst den Schlüssel aus dem Handschuhfach nehmen (per App bekam ich Anweisungen, was ich tun sollte) und das Stromkabel entfernen, mit dem es zu 100% aufgeladen war.

Da gibt es echt nur mehr einen Knopf zum Starten und am Lenkrad einen kleinen Hebel, mit dem man zwischen Parken, Fahren und Rückwärtsgang „schalten“ kann. Bin ich froh, dass ich immer mal mit dem Automatikauto meines Vaters gefahren war vor Jahren, da kam es mir nicht allzu komisch vor, dass es keine Kupplung gab. Ich schaffte es, das Auto in Bewegung zu bringen und unbeschadet auszuparken! Der beschleunigt jedenfalls ordentlich und sobald man vom Gas geht, bremst er, was etwas ungewohnt ist. Wie immer, wenn ich länger nicht gefahren war, kam mir das Ganze wie Fliegen vor und dann auch noch mit dem Raumschiff-Geräusch dazu 😉

Hach, tat das gut unterwegs zum See zu sein!!! Das ich mir das erlaubt hatte, statt vor mich hinzumeckern, dass alles doof ist. Mir selbst die Zeit zu schenken, die Stunden am See, nackt sein zu können, in der Sonne baden, Freiheit fühlen beim Schwimmen, meinen Körper im Wasser spüren. Die Fahrt war aufregend, den Weg kannte ich immerhin schon. Bekam einen Schattenparkplatz und endlich, kaum am See, ausziehen und nackt weiterwandern. Die Erde unter meinen Füßen spüren, den Sommerwind auf der Haut… nackt durch den Wald zu streifen ist ein wunderbares Gefühl! Suchte mir ein nettes Plätzchen, wo nicht so viel los und es schön ruhig war. Und erstmal abkühlen, ins seidenweiche Wasser zu gleiten ist so ein wundervoller Moment!

Seit heuer schwimme ich auch gerne sehr weite Strecken, einmal über den See auf die andere Seite hätte ich mich letztes Jahr noch nicht getraut. Ich liebe es einfach so sehr, das Glitzern der Sonne auf den sanften Wellen, der Wald ringsum… der blaue Himmel über mir. Das Wasser war wieder sehr kühl nach den letzten Regenwochen und danach war die Sonne besonders wohltuend. Und hungrig war ich, hatte mir extra genug zu essen eingepackt. Machte es mir am Ufer auf der Picknickdecke bequem, schrieb Tagebuch und las, als ich satt war. Als es mir zu warm wurde, ging ich wieder baden und schwamm diesmal in die andere Richtung.

Am See sitzen und schauen… endlich wieder! Es ist doch eine andere Qualität als ein Fluss und ich brauche diese stillen Gewässer zur Erholung, Regeneration, zum Entspannen, zum Sein. Irgendwie auch als Therapie. Merklich früher geht mittlerweile die Sonne unter, an meinem Platz verschwand sie schon halb 8 und ich zog mich wieder an, streunerte noch am See entlang, blieb an verschiedenen Stellen stehen, schaute aufs Wasser und Schilf und in den Wald, probierte neue Pfade aus, erkundete Weiden, Birken und Pappeln am Ufer.  Auf der anderen Seeseite was noch etwas Sonne und ich schaute ihr zu, wie sie golden hinter dem Wald verschwand, ehe ich mich auf die Suche nach dem Auto machte.

In der Dämmerung machte ich mich auf den Rückweg entlang abgeernteter Felder und kleiner Dörfer. Sang vor mich hin und war eine halbe Stunde vor Rückgabe-Ende wieder am Parkplatz. Lieber etwas Puffer als Nachzahlen und großartig finde ich auch, dass mir nur die tatsächlich gefahrene Zeit berechnet wurde. Der Ausflug kam mich ca. 22€, was nicht wenig ist, aber ab und an geht das ja schon. Finde ich einfach gut, dass es solche Carsharing-Angebote gibt, so braucht nicht jeder ein eigenes Auto und ich muss mich nicht um Service und Reparatur kümmern, kann es einfach wieder hinstellen.

Die Rückgabe war noch etwas lustig. Den Schlüssel wieder ins Fach stecken, das Auto wieder ans Stromnetz anstecken, alles mitnehmen und als ich gerade via Bluetooth das Auto wieder verriegeln wollte, fiel mir ein, dass ich das Licht im Innenraum noch anhatte. Machte also die Tür auf und wieder zu. Die App zeigte an, dass das Auto zu ist, was aber nicht der Fall war. Na toll, und jetzt? Aber ich ging in der App ganz einfach auf die Hilfe-Seite, rief die dort angezeigte Nummer an und die konnten tatsächlich von dort aus verriegeln. Sag ich doch, Science Fiction Film. Ich fühlte mich sehr in einem! Den Kontrast zwischen dem Hightech-Auto und Nacktbaden finde ich auch sehr lustig. Moderne Zeiten halt…

Heute, nur einen Tag danach begann mein Mondblut zu fließen und ich fühlte mich so entspannt, gelassen und verbunden wie schon lange nicht mehr… ein Hoch auf Wildfrauenzeit!!!

Ein Kommentar zu „Endlich Wildfrauenzeit – von der Seensucht zum Handeln

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