Samhain 2010

Die dunkelste Jahreszeit ist für mich nicht rund um das Julfest, sondern Samhain. Das Laub fällt, es regnet und nebelt, die Bäume heben sich schwarz vom grauen Himmel ab, wenn es dämmert. Zu Jul ist dann oftmals Schnee und die Mondin durchläuft ihre höchste Bahn im Jahreslauf. Auch die Gefühlswelt betreffend ist Samhain am Dunkelsten, es geht schließlich um Tod, Trauer, Loslassen und Transformation, ehe mit der schmalen Sichel des Neuen Mondes auch das Neue Jahr beginnen kann. Erst wenn ich ganz unten am Talboden angekommen bin, kann es wieder bergauf gehen. Das ist für mich Neujahr. Das aufgesetzte Fröhlichsein mitten in den Raunächten, was sich Silvester nennt, ist schon seit Jahren ein Horror für mich, in dem ich mich einfach nur verkriechen möchte, bis diese ganze Ballerei ein Ende hat und die stinkenden Rauchschwaden verbrannten Feuerwerks sich verzogen haben. Es ist völlig in Ordnung, wenn den anderen das Spaß macht, mir eben nicht.

Dieses Jahr war Samhain mehr als ausgiebig Thema bei mir. Angefangen von der Göttin in Deutschland, wo wir schon vorgezogen feierten, über eine merkwürdige Veranstaltung an einem dunklen Weiher, bei der man angeblich Lichter sehen konnte (ich habe nur die Spiegelung unserer Kerzen gesehen, vielleicht war es ja das?) bis hin zum stillen Kartenlegen für das kommende Jahr und einer kombinierten Geburtstagsfeier an einem See habe ich glaub ich noch nie so intensiv Samhain erlebt. Kein Wunder also, wenn sämtliche dunklen Seiten hervortreten aus den Schatten und Tiefen meiner Seele. Nennt sich dann wohl Herbstdepression.

Das Highlight war sicherlich das Kartenlegen in meinem Zimmer, nachdem ich ein Altarbild gemalt hatte und meine Ecke neu gestaltet hatte. Das Jahr dürfte laut meinen Karten, die sich in den letzten Jahren nie getäuscht hatten, spannend und mühsam werden. Harte Arbeit also an mir selbst.

Das zweite Highlight war unser Frauentreffen am kleinen Waldsee. Hier unten im großen Becken steigen die Nebel schon bei Sonnenuntergang empor, so dass man nie Sterne sehen kann (für eine Sternenelfe absolut das letzte, was sie gebrauchen kann). Am See, der weiter oberhalb des Wörthersees liegt, brauchen die Nebel länger. Ich war als erste von uns am Parkplatz, lag im Kofferraum des geräumigen Autos und sah in die Sterne. Das Band der Milchstraße zog sich quer über den Himmel und es blinkte und winkte nur so herab, während die Fichten sich im leichten Abendwind wiegten.

Wir gingen dann an eine wunderschöne Stelle am Ufer, erst zu einer Kiesbank und dann zu einer natürlichen Steinmulde, in der wir unseren Altar aufbauten. Irgendwie war ich diesmal minimalistisch gewesen und hatte nur Wasser mitgenommen, deswegen ließ ich die anderen aufbauen und setzte mich stattdessen auf die Kiesbank, um ausführlich in den Himmel zu schauen. Gerade gingen die Plejaden auf und spiegelten sich im See wie alle anderen Sterne. Das Sommerdreieck stand schon recht weit im Westen, Jupiter strahlte aus dem Süden herab. Ich lag einfach nur da und genoss, deckte mich zu mit der samtenen Sternendecke, fühlte mich umarmt von ihrem funkelnden Silberlicht.

Wir machten nun einfach, wonach uns der Sinn stand, ob das nun gemeinsames Tönen, Singen, Schreien oder Tanzen war. Wir saßen lange am Ufer, jede erzählte von einem Ahnen, zu dem sie sich an diesem Tag hingezogen fühlte. Zum ersten Mal seit dem Tod meiner Großmutter konnte ich ausdrücken, was ich für sie empfand und zum ersten Mal konnte ich auch meine gesamte Trauer ausdrücken, in dem ich dann auf der Heimfahrt laut schluchzte und heulte und weinte und mit ihr redete. Die Stimmung war passend – Nebel und kein Mensch auf der Autobahn und es lief Apocalyptica. Diese Trauer hatte Ausdruck gebraucht und endlich, an diesem Schwarzmond, an dem der Schleier zur Anderswelt besonders dünn ist, ist es mir gelungen. Danke liebe Großmutter!

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