Kennst du das? Da gibt es einen unbändigen Wunsch in dir, der dringend nach Erfüllung sucht? Du kannst schon nicht mehr schlafen vor lauter „wie kann ich das denn nur umsetzen“? So ging es mir jedenfalls vorletzte Woche oder eigentlich schon, seit die Seen in Kärnten zum Eislaufen freigegeben wurden.
Das letzte Mal, als ich so einen dringenden Wunsch hatte, war ich 2017 für einen Tag nach Italien ans Meer gefahren. Diesmal rief mich das Eis. Wobei es schon mehr ein Schrei in mir war, so laut wie das war. Aber wie sollte ich einfach so mal eben von Niederbayern nach Kärnten kommen? Wie sollte das gehen? Urlaub nehmen, Übernachtung checken, Hin- und Rückreise, meine Schlittschuhe in Oberösterreich, Geld braucht man auch. So grübelte ich nächtelang vor mich hin. Dazwischen war mal eine Warmfront, die mir die Entscheidung abnahm, der Ruf verhallte, nur um dann umso lauter zu werden, als die Seen wieder frei waren. Versuchte, diesen Drang mit Ersatzhandlungen zu befriedigen. Fragte jeden, ob es nicht doch eine Möglichkeit zum Eislaufen in Niederbayern gibt, das konnte es doch nicht sein. Halle zählte da aber auch wieder nicht. Wenn du Kärntner Seen gewohnt bist, ist so eine Halle mit Eis drinnen keine Befriedigung. In manchen Dörfern gab es anscheinend unter freiem Himmel ein paar Plätze. Und in einem Wald hier ganz in der Nähe, wo ich allerdings einen sehr steilen Berg hinaufradeln muss, fand ich einen kleinen Teich im Wald, allerdings kann man da gerade mal drei lange Eislaufschritte machen und du bist am anderen Ufer. Immerhin war ich am Eis gewesen. Dem Ruf war das egal, der wollte nach Kärnten, und zwar dringend. Sah mich übers Eis fliegen, mit langen ausholenden Schritten, das Glitzern, das Geräusch der Kufen (ich frag mich da schon auch immer, wie klingt das eigentlich für all die Fische da drunter, das muss doch einen Höllenlärm machen?).

Nach einem wunderschönen Tanzabend, bei dem ich mich einerseits über das Eis tanzen, als auch in Kärnten angekommen vor geschmolzenem Eis stehend sah, fuhr ich mit einer lieben Freundin nach Hause und bei dem Gespräch kam so klar heraus: ich musste nach Kärnten! Denn es waren mehrere Dinge aufgetaucht: vier unverhoffte Urlaubstage vom Vorjahr, mein übriggebliebenes Geburtstagsgeld und die Klarheit, jetzt oder nie, denn alle Seen waren frei. Alle Seen frei heißt in diesem Fall, der Weißensee und die vom Eislaufverein Wörthersee, der schon seit 1890 die Seen betreut, sobald sie zufrieren. Da kann man sicher sein, dass sie befahrbar sind, bei manchen gibt es auch Schlittschuhverleihe. Man kann auf deren Website und einem Whatsapp-Kanal sehen, welche Seen frei oder gesperrt sind.

Der Montag war dann ein spannender Tag: ich überfiel meine Kollegen und Vorgesetzten mit dem Urlaubsantrag für den nächsten Tag, organisierte ein günstiges ICE-Ticket, das Familienauto, das in Oberösterreich steht und fragte im Status, bei wem ich denn übernachten könnte, was auch bald klappte. Unglaublich! Es war alles im Fluss! Nach der Arbeit den Rucksack gepackt, am nächsten Morgen den Zug genommen (die obligatorische Stunde der DB nervte ja schon etwas, wenn du ganz ganz dringend einfach nur Eislaufen willst…). Ich saß wie auf Kohlen. Neben der ganzen Freude kamen auch immer wieder Zweifel, was Verrücktes ich da denn eigentlich machte. Zum Eislaufen mal eben nach Kärnten, sind ja nur mit dem Umweg über 500km. Aber es soll ja Leute gehen, die zum Shopping nach Barcelona fliegen, dann darf ich doch wohl mal mit dem Auto über die Berge fahren.

Endlich in Oberösterreich ankommen, bekam ich noch ein leckeres Mittagessen mit der Familie, packte die Schlittschuhe in den Kofferraum und los gings. Teilweise kam mir das schon unwirklich vor. Ich heulte jedenfalls vor Glück, als ich am „Willkommen in Kärnten“-Schild vorbeifuhr. Nach gerade mal 10 Stunden, nachdem ich meine Haustür hinter mir zu gemacht hatte, stand ich vor der Haustür meiner Freundin in Kärnten, die mich herzlich umarmte und meinen „Eislauf-Notfall“ vollkommen verstehen konnte. Nach dem Abendessen packten wir also Schlittschuhe ins Auto und im Sternenlicht ging es zum nächsten See. Sollte man auf jeden Fall nur befahren des nachts, wenn man sich absolut sicher ist. Mir gefroren jedenfalls sofort die Glücktränen auf meinen Wangen, als ich die Schlittschuhe anzog und wir zusammen übers Eis flogen. Das war es, genau dieser Moment. Der kristallklare Sternenhimmel über uns und unter uns teilweise bestes Spiegeleis. Wir fuhren geradewegs auf Venus zu, die so hell strahlte, dass sich ihr Licht auf dem Eis spiegelte. Die wunderbar kalte Luft in den Lungen, dieser Anblick, unsere gemeinsame Wildfrauenzeit. Glückseligkeit pur!

Der nächste Tag war der reinste Eislauf-Tag, so hatte ich das auch noch nie gemacht, wissend, dass es nur in dieser kurzen Zeit möglich sein würde. Denn schon bald war Regen und warme Temperatur angesagt. Gleich nach dem Frühstück also los zum See. Alles war in Nebel gehüllt, die Erlen am Ufer, die Schuhpaare, die auf dem Eis standen, während ihre Besitzer mit den Schlittschuhen unterwegs waren. Ich stellte meine dazu und merkte mir, in welcher Bucht ich losgefahren war. Ab und an tauchten Menschen aus dem Nebel auf, grüßten freundlich und verschwanden wieder im weißen Nichts. Eine sehr magische Stimmung. Auch ich zog meine Runden, genoss das Eis in seiner Mannigfaltigkeit, an manchen Stellen war es fast schwarz, Richtung Ufer grünlich. Gegen späteren Vormittag fing das Eis zu singen an. Schon etwas unheimlich, aber es heißt, dass dann das Eis wächst. Trotzdem klingt es manchmal, als würde sich mitten unter deinen Schlittschuhen eine Eisspalte auftun. Am Ufer bei meinen Sachen setzte ich mich auf den geliehenen Schlitten meiner Freundin, trank Tee, knabberte Nüsse und plauderte ein wenig mit den anderen Besuchern, wo die besten Stellen sind und der Frage, ob sich der Nebel heute noch lichten würde.

Bis ich hungrig wurde, bleib ich auf dem Eis. Kochte mir bei meiner Freundin etwas, ruhte mich aus und schaute auf die Wetterkameras des Eislaufvereines. War das ein Trugbild von einem anderen Tag oder schien auf einem der Seen tatsächlich die Sonne? Ich ließ es drauf ankommen und fuhr quer durch Klagenfurt bei dichtestem Nebel. Erst als ich den letzten Hügel vor dem Hörzendorfer See erklomm, riss der Nebel auf und tatsächlich war hier blauer Himmel und strahlender Sonnenschein! Unglaublich!

Unter der Woche rund um Mittag war kaum jemand hier, vielleicht fünf Leute auf dem doch recht großen See. Was für ein Glück! Ich konnte ganz in Ruhe meine Runden drehen, die Sonne genießen, den See, das Laufen. Es gab sogar ein kleines Standl, wo ich einen warmen, alkoholfreien Punsch trinken konnte. Den ganzen restlichen Nachmittag verbrachte ich auf dem See, es waren auch mal ein paar mehr Leute da, aber es war so wunderschön. Sah die Sonne untergehen hinter dem Berg, das Eis fing wieder zu singen an.

Fuhr zu meiner Freundin zum Abendessen, bevor wir beide eine andere Freundin abholten und mit ihr – na, was denkt ihr – richtig – Eislaufen gingen. Meine Beine waren schon etwas schwerer geworden mittlerweile, aber das war mir egal. Hauptsache Eislaufen! Wann kann man schon mal mit zwei lieben Herzensfreundinnen nebeneinander her im Dunkeln mitten in der Stadt am Lendkanal gemütlich auf und ab fahren und sich Neuigkeiten erzählen? Hatte sie zu lange nicht mehr gesehen. An diesem Abend fiel ich jedenfalls einfach nur angenehm müde ins Bett, ein herrliches Gefühl!

Am nächsten Morgen fuhr ich zum Frühstück zu einer anderen lieben Freundin, wir redeten und spazierten am Fluss in der Sonne, ehe es mich wieder zu einem See zog. In der Nähe, wo wir früher gewohnt hatten, gibt es einen Kiesteich im Wald und um diese Zeit hatte ich ihn ganz für mich allein! Was für eine Freiheit. Und auch hier flog ich zwei Stunden übers Eis, machte mal Pause und genoss den Wald ringsum, das Licht, die Sonne. Man merkte aber schon, wie warm die Sonne war, wie sich das Eis Richtung Mittag veränderte. Bei noch einer anderen Freundin (es waren also insgesamt 4 Freundinnen und 4 Seen 😉 hatten wir ein wunderbares Mittagessen und schöne Gespräche. Wollte eigentlich noch mal Eislaufen danach, aber in dem Moment wurden alle Seen gesperrt! Es war einfach zu warm! An sich wäre ich an diesem Nachmittag nach Oberösterreich zu den Kindern zurückgefahren, so ging es halt schon früher los. Ein wenig traurig war ich zunächst, doch dann passte es gut, denn so konnte ich noch den Großteil der Strecke im Hellen zurücklegen, denn auf der anderen Seite der Berge regnete es und es war eher schwierig zum Fahren.

Hatte bei der ganzen Aktion immer das Gefühl, dass es so passte, wie es war. Alles war im Fluss. Ich hatte auch gewusst, dass ich es bereuen würde, wenn ich es nicht gemacht hätte. Es war auch genau das richtige und einzig mögliche Zeitfenster gewesen, bis jetzt sind die Seen nicht mehr freigegeben. So fuhr ich mit einem Gefühl der tiefsten Zufriedenheit und Dankbarkeit zurück. Danke an alle, die das so kurzfristig möglich gemacht haben, dass ich das erleben durfte! Welch Glück!



